Eindrücke vom K3 Kongress zu Klimwandel, Kommunikation und Gesellschaft, 24.-25.09.2019 Karlsruhe

Auf dem K3-Kongress in Karlsruhe 2019, der zeitgleich zum Klimagipfel stattfand, gab es einige interessante Eindrücke, die hier in knapper Form wiedergegeben werden.

George Marshall, Umweltkommunikation-Spezialist, Großbritannien, betont die Wichtigkeit, dass Politiker die Wahrheit über den Klimawandel sagen mögen („Tell the truth“).  Es gäbe ein moralisches und legales Recht, die Bevölkerung zu informieren. Es geht beim Klimawandel um Fürsorge miteinander. Gerade große Glaubensgemeinschaften im Sinne von schnell wachsenden Netzwerken gewinnen hier an großer Bedeutung. Das Klima ist ein Geschenk Gottes. Auch geht es nicht nur darum, die Vergangenheit zu verdammen. „Die Vergangenheit war großartig, wir haben natürliche Ressourcen genutzt. Aber jetzt machen wir auch etwas großartiges, wir leben mit der Natur. Die Ressource Öl ist jedoch zu unsicher, es gibt zu viele ups und downs.“ Auch betont Marshall die Diskrepanz von einerseits positiven Wirtschaftsnachrichten, die jedoch von den Medien ohne Verbindung zu den entsprechenden Implikationen auf das Klimawindel kommuniziert würden.

In seinem Buch „Don’t even think about it“ beschreibt Marshall, warum unserer Gehirn darauf programmiert ist, den Klimawandel zu ignorieren.

Prof. Florian Kapmeier (Universität Reutlingen) stellte einen Klimasimulator vor, der auch bei den UN-Verhandlungen genutzt werde . Es zeigte sich dabei, dass das Zeigen von Forschungsergebnissen alleine nicht ausreicht, da es für die Kommunikation zu abstrakt ist. Erst eine interaktive Herangehensweise löst ein Problembewusstsein aus.

In den kommenden Jahren werden CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen und Zement insbesondere von China und Entwicklungsländern stark ansteigen. Die EU spielt im Klimaschutz dabei eher eine Vorreiterrolle und als Mitverursacher eine starke Verhandlungsrolle, als dass sie selbst sehr stark auf die globalen Emissionen Einfluss nehmen kann. Wesentliche Faktoren für eine sehr schnelle, suffiziente globale CO2-Reduktion sind vor allem der frühest mögliche globale Beginn mit der CO2-Emission und extrem ambitionierte jährliche Reduktionsquoten (etwa 3,5%), während sowohl Verhinderung der Entwaldung wie auch Aufforstung vergleichseweise wenig ins Gewicht fallen. Diese Ziele können durch eine Vielzahl an Einzelmaßnahmen erreicht werden, die alle allein genommen, nicht ausreichend wären. Dreh- und Angelpunkt sind der Verlauf der internationalen Verhandlungen, d.h. inwieweit die verschiedenen Kontinente Anstrengungen unternehmen und Zugeständnisse machen. Ein großes Problem stellt das Versauern der Meere dar, das den Anfang der Nahrungskette bildet. Ein Anstieg des Meeresspiegels um 2 m betrifft zahlreiche Millionen-Städte.

Dr. Eckhardt von Hirschhausen (Arzt und Kabarettist) stellte die Frage: Wie bekommen wir es hin, dass wir in der Welt gerne Leben und nicht weg wollen. Verhaltensreaktionen auf der Ebene von Reaktanz sind nicht erwachsen. Er zitiert Jane Goodall, die er selbst interviewt hatte: „Wie kann es sein, dass der Mensch immer sagt, er wäre die intelligenteste Spezies auf der Welt und er zerstört sie selbst?“ Von Hirschhausen vergleicht die Welt mit einem Wohnzimmer, das man selbst normalerweise auch sauber halten möchte. Er hebt zudem auf eine spirituelle Dimension ab: „Die Erde ist unbezahlbar, weil es sie nur einmal gibt“, was im Gegensatz zur Marktwirtschaft steht. Wichtig sind ihm menschennahe Parabeln, z.B.: „Die Mutter Erde gehört auf die Intensivstation. Die Erde hat Multiorganversagen.“ Er zitiert den Umweltpsychologen Per Epsen Stoknes, wonach es zu einer Abstumpfung kommt, wenn man nur vom Untergang der Welt spricht. Wichtig sei, die positiven Aspekte dazu zu holen: „Das Leben ist wie eine Wunderkerze. Es brennt ab, wundern müssen wir uns selber.“

Nach Prof. Niko Paech, Volkswirt an der Universität Siegen, ist Klimaschutz ohne Abkehr vom Wachstumsdogma nicht möglich. Mit pluraler Ökonomik setzt er auf neue Wege mit mehr Nachhaltigkeit. Die Bevölkerung müsse derzeit die Dissonanz aushalten, einerseits so umweltbewusst wie noch nie zu sein und andererseits so umweltschädlich wie noch nie zu leben. Beispielsweise habe es 2018 244 Mio. Flugpassiere in Deutschland gegeben, und er formuliert das Paradoxon „Vegan fliegen“. Das schlechte Gewissen ertränke sich die breite Mittelschicht in Bio-Getränken, oder indem man am Ende seines Lebens noch schnell ein Passivhaus baue, i.S.v. dass man die Problematik nun verstanden habe. Problem sei, dass man das Ziel aus den Augen verloren habe. Das Mittel, um eigentliche Ziele wieder erreichen zu können, sei der CO2-Fußabdruck.

Man brauche selbstproduzierende Güter, miteinander teilen, regionale Ökonomie, industrielle Arbeitsteilung. Wachstum reduzieren heißt dabei auch Arbeitszeitverkürzung. Die Selbstbegrenzung gehe nur vom Subjekt aus, da die Politiker ihre Wähler nicht begrenzen wollen. Entsprechend sei die Politik handlungsunfähig. Durch eine zu kleine CO2-Steuer entstehe eher ein Ablasshandel, um das Gewissen der Individuen zu beruhigen; – dann ist die CO2-Steuer sogar klimaschädlich. Dadurch komme es zur sozialen Diffusion. Die Politik entstehe jedoch aus der Gesellschaft heraus, nicht umgekehrt. Eine vertikale Klimaschutzkommunikation (die Bevölkerung ist aufgebracht; die Regierung solle nun alles regeln) sei gescheitert. Es sei fahrlässig, auf die Politik und neue Technologien zu hoffen. Dagegen sei eine horizontale Kommunikation notwendig: Pioniere, glaubwürdig praktizierte Lebensstile, Klimaschutzmanager, die in individueller Verantwortung agieren. Abschließend äußert der Ökonom, dass die Ökonomie hier nicht weiterhelfe. Allein die Kommunikation sei hilfreich. Dabei stecke nichts mehr an, als etwas mit Freude zu machen, d.h. also auch selbst in eine veränderte Praxis überzugehen. Dies führe zudem zu mehr Selbstbewusstsein.

Prof. Harald Welzer, deutscher Sozialpsychologe, stellte unterschiedliche Lebensstile im 21. Jahrhundert gegenüber. Danach leben wir in einer Kultur einer dauerhaften Erzählung über Weltreisen, wobei der Verbrauch das Vorbild ist. Das erste Gebot sei: „Du sollst verbrauchen!“, „Du sollst kaufen!“, ob in Explorer-Schiffen, in „fahrenden Plattenbauten“ (Kreuzfahrtschiffen) oder „Stadtgeländewägen“ (SUVs). Im gleichen Maße, wie sich Umbeweltbewußtsein erhöht hat, hat sich auch der Verbrauch erhöht. Daneben stehen Mahnungen und Warnungen („das geht nicht so weiter“), die einen Angriff auf das eigene Lebensmodell darstellen. Sowohl Wissen als auch Bildung werde überbewertet. Es seien eher situative Anforderungen, die unser Handeln leiten. Dabei sei das Wort „eigentlich“ das Hauptwort unserer Zeit (i.S.v. „Eigentlich würde ich ja gerne umweltfreundlich sein, aber es geht gerade nicht“). Menschen handeln auf der Grundlage von Beziehungen. Die Entscheidungen sind voreingestellt, es sind somit keine kognitiven, reflexiven Prozesse, sondern Routine-Prozesse. Erst wenn Hindernisse in den Weg kommen, fange der Mensch an zu denken.

Die Ökobewegungen habe sich mehr und mehr der Gesellschaft angepasst. Man versuche, Frieden mit einer „Vergrünung“ der Technologie zu machen, trotz dem dass es Grenzen des Wachstums gibt. Diese „Lebenslüge“ habe möglicherweise ihren Kulminationspunkt am 20.09.2019 gefunden. Die Fridays for Future haben in die bisherige Klimadebatte neu hinein gebracht, dass es nicht um das politisch Machbare gehe, sondern um die Existenz. Dennoch sei das Primat bei allen Umsetzungsprozessen immernoch die Ökonomie. Bei der Klimakrise handele sich daher um ein andersartiges Politikfeld als bisher. Die Fridays haben die Klimakommunikation insofern umformatiert, dass sie sich zwar auf Wissenschaft beziehen, aber Gerechtigkeit fordern: Die zentrale Variable der Fridays ist die Gerechtigkeit, nicht CO2.

Dagegen habe die Gesellschaft immernoch antiquierte Zukunftsvorstellungen. Wir erschließen uns die Welt, fliegen zum Mond usw. Dabei sei die Zukunft ein Entwicklungsprozess. Sie werde auf jeden Fall schlechter. Als Gegenreaktion komme es daher in der Gesellschaft zur Affirmation des Jetzt: Festhalten an dem Jetzt: „Jetzt erst recht nochmal alles rausholen.“ Es sei nun eine Herausforderung, die Klimakommunikation positiv umzukodieren. Um eine autofreie Stadt als gut zu empfinden, brauche man nicht als Argument den Klimawandel. Unser Bewegungsraum ist durch das Auto eingeengt. Es sei nicht normal, dass man die ganze Zeit aufpassen muss, dass man nicht umgefahren wird, dass man seine Kinder am Arm reißen muss, weil sie sonst „plattgefahren“ würden. 12,6% der Fläche von München bestehe aus Flächen, um Autos abzustellen. München sei gleichzeitig auch die Stadt mit der höchsten Versiegelung.  Auch für Veränderungen von Wohnen, Ernährung etc. brauche man keine negative Begründung. Nicht das Argument, dass wir nur noch 7 Jahre Zeit haben, zählt, sondern: welche Zukunft wünschen wir uns, was bringt uns eine autofreie Stadt? Wie stellen wir uns eine bessere Welt vor (statt höher, schneller, weiter)? Der Schritt vom Katastrophendenken zum positiven Denken sei weiterführend. Was brauchen wir von früher (z.B. der Rechtsstaat), was brauchen wir nicht mehr (z.B. Auto, Flugreisen).

Auch abstrakte Szenarien („Schöner wär’s, wenn’s schöner wär) sind nicht weiterführend, sondern es bedürfe konkreter Utopien.  Häufig stoße man dann auf Reaktanz: „Aber wir müssen doch erst den Kapitalismus abschaffen / Aber das geht doch nicht“ u.ä. – Es gehe aber eben doch, wenn man in die konkrete Umsetzung gehe. Was wäre z.B. notwendig, wenn nur eine Wohnfläche von 15 qm zur Verfügung stünde. „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ (Bachmann). Nur durch konkrete Strategien seien Wenn-dann-Diskussionen zu reduzieren.

–> 10 Hauptthesen von Harald Welzer

Prof. Dirk Baecker, Witten/Herdecke, deutscher Soziologe, äußert, die Klimawandel-Debatte überfordere den Menschen. Der Mensch habe ein orales Verständnis der Zeitvorstellung: es passiert etwas, entweder die Erlösung oder die Katastrophe. Die Zeit verlaufe aber linear. Problematisch seien systemimmanente Dynamiken (nach Luhmann). So gäbe es keinen Ökonomen, der sich mit Ökologie beschäftigt, wenn er nicht einen Nutzen davon habe. Auch die Wissenschaft produziere mehr Fragen als Antworten und nur, wenn durch Wissenschaft mehr Fragen als Antworten aufkämen, bleibe die Wissenschaft auch weiter prozesshaft. Die Wissenschaft fordere nicht zum Handeln auf, sie wolle Resonanz entwickeln. Nach Baecker möge man die Angst vor der Zukunft stehen lassen und produktiv damit umgehen, statt zu fliehen. SUVs seien Panzer, die uns vor Angst schützen. Es gehe jedoch um positive Visionen, die auf die Bedürfnisse orientiert sind.

Prof. Mojib Latif bemängelt, dass Klimaschutz negativ besetzt ist, aber eigentlich eine positive Sache ist. Ein Totschlagargument seien die Pendler, aber über die Verbesserung des Nahverkehrs werde nicht gesprochen. Es gehe mehr um die Implementierung des Klimaschutzes in der Bevölkerung. Beispielsweise könnten sich Unternehmen dafür einsetzen, dass Mitarbeiter Kosten sparen, ein besseres Image bekommen und mehr Zufriedenheit erhalten, wenn sie dazu angeregt werden, weniger als mehr zu fliegen.

 

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